Ein Appell zum Umgang mit Fremdwörtern in den Medien
Expert*innen aller Länder – vereinigt Euch! Tauscht Euch aus über Androphobien und Assekuranzen, über Hylismus und Infantilitäten, über Zyklotrone und Zytotoxine! Haut Euch kompetitiv und interdisziplinär und von mir aus auch obligatorisch alles um die Ohren, was das Wörterbuch Eurer jeweiligen Fachdisziplin hergibt. Hic et nunc! Oder auf dem nächsten Fachkongress. Dann seid Ihr unter Euresgleichen. Und werdet hoffentlich verstanden.
Aber bitte tut uns allen einen Gefallen: Verschont damit Eurer Publikum. Denn Ihr mögt alle Koryphäen auf Eurem Gebiet sein (oder sind es Koniferen…?), nur leider versteht Euch da draußen fast niemand. Und das liegt wahrlich nicht daran, dass alle anderen doof sind. Es liegt daran, dass Ihr Euch nicht an die Spielregeln guter Kommunikation haltet. Denn was passiert, wenn ein Leser in einem Artikel über ein Wort wie Hylismus stolpert?
- Er wird sich höchstwahrscheinlich fragen, was es bedeutet.
- Er wird eigene Deutungen versuchen.
- Er wird sich ärgern, dass es nicht verständlicher formuliert ist.
- Oder er wird – nach alter Tradition – den Begriff nachschlagen.
Und damit wird es anstrengend. Auch im Radio und Fernsehen geht das Publikum durch solche Phasen. Manche werden sich zunächst fragen, ob sie sich verhört haben. Dann findet eine Art Abgleich mit dem eigenen Vokabular statt: Hü…, hm, könnte was mit Pferden sein…? Irgendwann wird es auch hier mühsam, man fragt sich, warum der Experte oder die Expertin das nicht besser erklärt hat.
Auf jeden Fall sind wertvolle Sekunden vergangen, in der die Aufmerksamkeit der Zuhörenden weg ist. Dann wieder den Anschluss zu finden, kann mühsam sein – und oft klappt es nicht. Schon ist der Finger auf der Fernbedienung. Irgendwo findet sich sicher ein Programm, das nicht so anstrengend ist.
Bei manchen gehen die Gedanken selbst dann auf Wanderschaft, wenn das Fremdwort grundsätzlich bekannt ist. So berichten uns immer wieder Kund*innen, dass Sie das Wort Koryphäe zwar verstehen, jedoch immer wieder gedanklich mit der Konifere abgleichen. Und einmal bei der Konifere angekommen, lockt gedanklich der Garten, der Rasen muss auch mal wieder gemäht werden, ob die Rosen wohl noch blühen? Schwupps – und auch dieser Hörer oder diese Zuschauerin ist verloren.
Häufig werden wir in Trainings gefragt: Ja, aber Worte wie monitoring oder intrinsisch oder fakultativ – die kann ich doch wohl voraussetzen? Nein, können Sie nicht. Fragen Sie mal fakultativ bei Passant*innen in der Fußgängerzone ab. Natürlich gibt es immer Menschen, die das aus dem Stand erklären können. Aber für viele ist und bleibt es ein Fremdwort, und er verhindert, dass Ihre Botschaft ankommt.
Was also tun? Wenn Sie als Experte oder Expertin in den Medien auftreten, dann wandern Sie zwischen den Welten. Sie wandern, weil Ihre Zielgruppe in den Medien eine andere ist als auf einen Fachkongress. Ein Interview geben Sie nicht für die Kolleginnen oder die Konkurrenten. Das geben Sie, um mit Ihrer Meinung oder Ihrem Wissen ein breiteres Publikum zu erreichen. Um für Ihre Thema zu werben – oder Ihre Position verständlich zu vermitteln. Warum in die Welt der Zytotoxine abtauchen – wenn Zellgift eine mindestens genauso eindrucksvolle Alternative ist?
Sollte doch einmal ein Fachbegriff unumgänglich sein, empfehlen wir folgendes Vorgehen: Erst den Begriff so anschaulich wie möglich umschreiben, dann das konkrete Fachwort nachliefern.
Hier ein Beispiel: „Im Sommer ist es kaum vorstellbar, dass manche Menschen eine starke, schon fast krankhafte Angst vor Wasser haben. Ein Besuch im Schwimmbad ist für diese Menschen der reinste Alptraum. In der Fachwelt nennen wir das Hydrophobie, und es gibt folgende Möglichkeiten, diese Angst beim Menschen zu behandeln….“
Mein Tipp also: Veranschaulichen und übersetzen Sie eigene Fachbegriffe. Es könnte ein Mini-Wörterbuch entstehen für Ihren Bereich! Die Arbeit lohnt sich, weil Sie immer wieder darauf zurückgreifen können. Ach so, was Hylismus ist? Muss ich nachschlagen…
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