Warum es sich lohnt, praktisch jede Frage als Kommunikationschance zu nutzen.
Kennen Sie Randall Munroe? Ich kenne ihn nicht, jedenfalls nicht persönlich. Er hat früher für die NASA Roboter entwickelt. Heute zeichnet er Comics, und zwar zu wissenschaftlichen Themen. Das allein wäre schon eine Geschichte wert. Aber hier möchte ich mit Ihnen in eines seiner Bücher reinlesen. Titel: „What if? Serious Scientific Answers to Absurd Hypothetical Questions“. Und schon sind wir mitten im Thema.
Denn als absurd und rein hypothetisch tun viele Gesprächspartner die Fragen von Journalisten gern ab. „Hätte, hätte, Fahrradkette“, war die genervte Antwort Per Steinbrücks im Wahlkampf 2013 auf eine dieser Fragen. Und auch bei Podiumsdiskussionen sind die Fragen aus dem Publikum oft nur eine anstrengende Pflichtübung.
Der Wissenschaftler Munroe hat sich für einen anderen Weg entschieden. Leser (auch Kinder) durften ihm jede nur denkbare Frage stellen, wie z.B. „Kann man ein Steak garen, indem man es aus dem Orbit Richtung Erde fallen lässt?“ (Die Antwort ist: Nein, trotz der enormen Hitze beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.) Oder „Könnte man aus allen Lego-Steinen der Welt eine Brücke von London nach New York bauen?“ (Die Antwort ist: Ja, fast. Es fehlen noch ein paar Millionen Steine, aber grundsätzlich könnte man eine schwimmende Brücke bauen.) Also, er wertschätzt die Frage, und sei sie noch so weit hergeholt. Er sucht eine Antwort. Auf manche hypothetische Fragen gibt es auch nur eine hypothetische Antwort. Macht nichts. Seine Leser sind trotzdem glücklich, fühlen sich ernst genommen und inspiriert.
Nun stellen ja auch Journalisten viele Fragen. Fiese, dumme, hinterhältige, emotionale, unsachliche, zugespitzte, provokante, verquaste, suggestive, unklare, nervige, „falsche“ Fragen. Das ist ein wesentlicher Teil ihres Jobs. Die wenigsten allerdings stehen morgens auf und nehmen sich vor, an diesem Tag besonders fiese, dumme, hinterhältige, emotionale, unsachliche, zugespitzte, provokante, verquaste, suggestive, unklare oder nervige Fragen zu stellen. Sie wollen einfach ihren Job gut machen und ihren Gesprächspartnern inhaltlich auf den Zahn fühlen. Darin steckt die große Chance: Denn jede Frage ist eine Chance auf gute Kommunikation. Wirklich jede.
Auch wenn Sie die Antwort nicht parat haben. Es geht vielmehr darum, wie Sie sich mit der Frage auseinandersetzen. Beispiel: Sie werden zu einer Kundenbeschwerde gefragt, von der Sie noch nicht gehört haben. Eine Antwortvariante könnte sein: „Dieser konkrete Fall ist mir nicht bekannt. Grundsätzlich kann ich Ihnen aber sagen, dass wir alle Fälle dieser Art genau analysieren….“ Hier besteht die Herausforderung darin, durch die innere und äußere Haltung eine Wertschätzung gegenüber der Frage oder dem Anliegen zu transportieren. Und dem Journalisten ggfs. die konkrete Antwort nachzuliefern.
Also: Ganz egal ob ein Steak durch den Orbit fliegt oder ob ein Journalist nach „hätte, könnte, würde“ fragt: Fragen sind Chancen. Nutzen Sie sie! Platzieren Sie eine Ihrer Kernbotschaften. Steuern Sie dorthin. Und bleiben Sie gelassen!
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