Generation Genau! Die Reise eines schönen Wortes ins Nervige.

Es war einmal ein schönes Wort: Genau. Fünf Buchstaben, drei unterschiedliche Vokale. Ein durchaus klangvolles Wort. Mit zwei klaren Bedeutungen.

  1. Präzisieren: „Wann fahren wir nochmal los?“ – Wir fahren genau um 15 Uhr los, sonst schaffen wir den Termin nicht. 
  2. Zustimmen oder bestätigen: „Hast Du dieses Buch gemeint, ist das gut?“ – Ja genau, dieses Buch ist echt gut.

Zu diesem schönen Wort gesellt sich seit einigen Jahren ein nerviger Halbbruder. Das sogenannte „Power-Point-Genau“, ein Begriff des Linguisten Peter Auer.

Das Power-Point-Genau tritt meistens auf, wenn jemand allein spricht, also nicht im Dialog ist. Zum Beispiel in Prüfungen oder Präsentationen. Genau da häuft es sich. Mindestens nach jeder Folie – im Übergang zur nächsten. Genau. Oder sogar nach einzelnen thematischen Aspekten. Es klingt dann wie eine Selbstbestätigung, wie eine Erkenntnis: Genau, das habe ich jetzt abgehakt… Und so gehäuft, wie es aktuell auftritt, hat es alle Qualitäten einer Genau-Epidemie.

Linguistik-Professorin Florence Oloff sieht diese Verwendung von ‚Genau‘ als Zeichen dafür, dass es im Kopf des oder der Sprechenden gerade rattert. Wenn kognitiv große Leistungen vollbracht werden, das Denken also auf Hochtouren läuft, kann ein solches Wort entlasten, sortieren, bestärken.

Soweit, so gut.

Nur: Die Dosis macht das Gift. Wie für andere Füllwörter und auch für die Ähs und Ähms gilt: Es darf nicht nerven! Niemand soll beim Zuhören in Versuchung kommen, Genau-Strichlisten zu führen.

Wie bekommen wir diese Epidemie in den Griff? Wie sieht ein Anti-Genau-Training aus? Es geht ganz ähnlich wie bei den Füllwörtern (Link vom Blog einfügen).

  1. Bewusstsein schaffen, dass ein Coachee dieses Wort inflationär benutzt. Oft ist das den Sprechenden gar nicht bewusst.
  2. Je öfter die Stimme am Ende eines Gedankens oben ist, desto höher ist der Druck auf ein Füllwort wie ‚genau‘. Insofern lohnt es sich darauf zu achten, die Stimme am Ende eines Satzes oder Gedankens zu senken. Die Botschaft akustisch zu landen. Erst das schließt den Gedanken tatsächlich ab und erhöht die Wirksamkeit des Gesprochenen.
  3. Vermeidung allein führt oft nicht zum Ziel. Leichter wird der Lernprozess, wenn wir ‚genau‘ durch etwas anderes ersetzen. Hier am besten durch Stille.