Sonntagabend, 15. Januar. Berlin Direkt im ZDF.
Bundesverteidigungsministerin Lambrecht ist medial angezählt. Ihr Silvestervideo mitten im Feuerwerk – von vielen als weiterer Fehltritt gewertet. Hinter den Kulissen plant die SPD ihren Abgang und sucht einen Nachfolger. Nichts dringt nach außen, die Medienvertreter müssen „auf der Glatze Locken drehen“. Spekulieren, analysieren, kommentieren. Ganz schön mutig, dass SPD-Parteichef Lars Klingbeil in dieser Situation dem ZDF ein Interview gibt. Im Gespräch mit Shakuntala Banerjee geht es in der Disziplin „kein Kommentar“ über vier Runden.
Runde 1
Banerjee: Sie sind der Erste aus der SPD-Spitze in den letzten Tagen, den wir fragen können: Was wird denn nun aus Frau Lambrecht?
Klingbeil: Ich habe Zeitungsartikel gelesen, wie Sie wahrscheinlich auch. Aber wissen Sie: Ich habe mir angewöhnt, diese Artikel nicht zu kommentieren. Und das gilt auch heute Abend.
Kurze Antwort, freundlich vorgetragen. Aber so früh lässt die Interviewerin nicht locker.
Runde 2
Banerjee: (…) Wollen Sie sagen, dass Frau Lambrecht Sie nicht informiert hat?
Klingbeil skizziert die Arbeit der Ministerin in der vergangenen Woche, Lambrecht sei „eine Ministerin, die anpackt“. Und er wiederholt: Ich kommentiere Zeitungsartikel nicht. Von einem können Sie aber im Grundsatz ausgehen: Das, was wir als SPD zu entscheiden haben, das entscheiden wir geschlossen. Mit dem Bundeskanzler zusammen, mit der Parteiführung, mit dem Fraktionsvorsitzenden. Und wir verkünden Dinge dann, wenn sie zu verkünden sind.
Eine längere Antwort, wieder freundlich vorgetragen. Zusätzlich zu „kein Kommentar“ lenkt Klingbeil hier auf den Abstimmungsprozess und die Beteiligten. Er bietet also etwas mehr an, als in der ersten Antwort, will umsteuern. Ein guter Ansatz. Trotzdem geht es weiter.
Runde 3
Banerjee fragt nach dem bevorstehenden NATO-Treffen in Ramstein: Ob die Bundesregierung dort mit einer Ministerin vertreten sein kann, die mit einem Bein schon raus sei aus dem Job?
Klingbeil: Das teile ich überhaupt nicht. Dann lobt er erneut Lambrechts Arbeit, lenkt dann über zum Treffen in Ramstein und zur Unterstützung für die Ukraine, die – man ahnt es – eng mit den Bündnispartnern abgestimmt wird.
Nichts Neues hier, Klingbeil bietet Bekanntes und häufig Gehörtes an. Das ist aus Zuschauersicht nicht furchtbar spannend, aber auf jeden Fall besser als ein bockiges „kein Kommentar“. Ring frei für die letzte Runde:
Runde 4
Banerjee: Ich muss Sie noch einmal zu Frau Lambrecht fragen und nerven: Wie schnell wollen Sie die Unklarheit beseitigen? Wann haben wir Klarheit?
Klingbeil: (etwas nachdrücklicher) Ich habe gerade gesagt, ich kommentiere keine Zeitungsartikel. Und sie können jetzt über den dritten oder vierten Weg fragen, und meine Aussage dazu wird sich nicht ändern.
Ein klares Stoppschild. Hier geht es in dem Interview nicht weiter. Klingbeil wechselt auf die Meta-Ebene der Kommunikation und sagt – immer noch freundlich-neutral – dass bei ihm zur Lambrecht-Frage nichts zu holen ist. Was Banerjee im Folgenden akzeptiert.
In diesem Interview gibt es zwei Gewinner: Die Moderatorin hat alles richtig gemacht. Sie muss nachfragen, muss den Gast „nerven“ bzw. hartnäckig versuchen, ihn zu einer Aussage zu bewegen. Lars Klingbeil hat ebenfalls Sportsgeist bewiesen, allein schon dadurch, sich diesem Interview zu stellen.
Zu einem Thema oder Aspekt nichts sagen zu dürfen oder zu wollen – das kommt in vielen Alltagssituationen und eben auch in vielen Interviews vor. Freundliche Beharrlichkeit à la Klingbeil ist da eine gute Strategie.
Foto: SPD/Tobias Koch
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