Sprung in der Schallplatte – das war früher ein Ärgernis. Die gleiche Stelle im Lied, oft nur wenige Worte, wurden wiederholt, wiederholt, wiederholt. Diese Schallplatte war Müll.
Heute wird der Sprung in der Platte als „Kommunikations-Strategie“ eingesetzt, um die eigene Position zu behaupten. Einfach nahezu immer wieder dasselbe sagen, wenn eine (unbequeme) Frage gestellt wird. Ein „Strategie“, die Gespräche unnötig frustrierend und konfrontativ macht.
Wer den parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Philipp da Cunha, im NDR-Interview hört (Link: Kritik an SPD in MV: Philipp da Cunha zum Umgang mit Fraktionsgeldern | NDR.de – Fernsehen), fühlt sich möglicherweise an den leidigen Sprung in der Schallplatte erinnert.
Da Cunha wird vom NDR-Reporter gefragt, wieviel eine Bürgerversammlung im Bauernhotel Golchener Hof Ende Juni gekostet hat. Hintergrund: Dieses Hotel gehört dem Ehemann einer SPD-Abgeordneten, der Verdacht der Vetternwirtschaft steht im Raum. Was also hat das Bürgerforum gekostet?
Da Cunha: „Die Fraktion führt seit 15 Jahren überall im Land diese Bürgerforen durch. Das ist uns auch ganz wichtig, mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Einerseits können wir ihre Fragen direkt vor Ort beantworten, andererseits können wir auch Fragen mitnehmen. Das ist uns ganz wichtig ins Gespräch zu kommen…“ und so weiter und so weiter.
Der Reporter fragt erneut: Was hat es gekostet?
Da Cunha, die Zweite: „Die Fraktion führt seit 15 Jahren überall im Land diese Bürgerforen durch. Das ist uns auch ganz wichtig, mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Einerseits können wir ihre Fragen direkt vor Ort beantworten…“
Der Reporter fragt ein drittes Mal: Was hat die Veranstaltung gekostet?
Da Cunha, die Dritte: „Die Fraktion führt seit 15 Jahren überall im Land diese Bürgerforen durch…“
Der Reporter fragt sieben (!) weitere Male in verschiedenen Fragevarianten nach den Kosten. Er bekommt sieben weitere Male diese stereotype Antwort, zehn Mal insgesamt innerhalb weniger Minuten. Der Sprung in der Schallplatte.
Interessant ist, was dann geschieht: Das Interview wird vom NDR ungeschnitten online gestellt. Es geht viral. Es gibt Vermutungen, da Cunha habe diese Technik im Medientraining einstudiert, um sich souverän / arrogant / dreist / respektlos den Fragen zu entziehen. (Persönliche Anmerkung: Hoffentlich hat er für dieses Medientraining kein Geld bezahlt.) Nur einen Tag später erläutert der SPD-Fraktionsvorsitzende Julian Barlen sehr ausführlich, was das Bürgerforum gekostet hat und wie sich die Summe von 15.000 Euro zusammensetzt. Am Vortag habe die Schlussrechnung noch nicht vorgelegen… Wer’s glaubt.
Was hätte Philipp da Cunha besser machen können, ohne die konkrete Zahl zu nennen? Hier drei Ansätze:
- Ich verstehe, dass Sie das fragen und Ihr Interesse am Thema. Was ich dazu sage kann ist: Wir haben in den vergangenen 15 Jahren an vielen Orten im Land diese Bürgerforen durchgeführt. Wir achten überall darauf, nicht mehr als die ortüblichen Preise zu zahlen. Für Veranstaltungen dieser Art liegen die pro Kopf zwischen 50 und etwa 70 Euro. Darin sind dann xx und yy und zz enthalten. Auch der Golchener Hof lag vom Preis her in diesem Rahmen.“
- Die kompletten Kosten kann / werde ich Ihnen hier (noch) nicht nennen. Was ich aber sagen kann ist, dass wir – wie immer für die Bürgerforen der vergangenen 15 Jahre – mehrere Angebote eingeholt haben. Und wir achten überall darauf, nicht mehr als die ortüblichen Preise zu zahlen. Für Veranstaltungen dieser Art liegen die pro Kopf zwischen 50 und etwa 70 Euro. Darin sind dann xx und yy und zz enthalten.“
- Oder aber er hätte auf das Interview verzichtet.
Spätestens bei der dritten oder vierten Nachfrage hätte er das Thema auf der Metaebene beenden können, im Sinne von: „Sie fragen mich jetzt zum dritten Mal danach, und meine Antwort wird sich nicht ändern.“ Meistens ist das Spiel dann auch vorbei, oder es geht mit Fragen zu anderen Aspekten weiter.
Im Ergebnis klingt viel weniger nach Sprung in der Schallplatte – und ist sicher kein Müll.
Screenshot: www.ndr.de
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