Kommen Ihnen solche Situationen bekannt vor?
„Sag mal, könntest Du für das Schulfest nicht auch einen Kuchen backen?“ (Nein, eigentlich nicht…) – Ja, klar. Mache ich!
„Ach, Frau Prüfig, könnten Sie mich diese Woche beim Info-Abend vertreten? Ich schaffe es leider nicht.“ (Und ich schaffe es erst recht nicht, bin mitten im Umzug…) – Okay, ja, ich mache das irgendwie möglich.
„Es wäre ganz toll, wenn Du in diesen Ferien wieder unsere Katzen füttern könntest!“ (Oh bitte, nicht schon wieder!) – Ja, kriege ich hin.
Dreimal ist die Antwort „eigentlich“ ein Nein, dreimal lassen wir uns spontan zu einem JA hinreißen. Das JA scheint uns irgendwie leichter von der Zunge zu gehen, beim NEIN haben wir oft Hemmungen. Warum ist das so? Und was können wir vom Esel, dem wandelnden NEIN auf vier Beinen, lernen?
Esel machen nämlich komplett ihr Ding. Wollen sie stehen bleiben, bleiben Sie stehen. Wollen sie fressen, fressen sie. In aller Ruhe, im eigenen Tempo. Man kann sie nicht hetzen. Sie sagen entschieden NEIN zu jeglichem Stress. Und trotzdem kann ich nach einer Woche Wandern mit Esel in Frankreich nur sagen: Ich habe es ihm nicht übelgenommen. Im Gegenteil. Ich habe Respekt.
Zurück zur Frage – warum tun wir uns mit dem NEIN oft schwer? Neurologisch gesehen sind an der Frage JA oder NEIN zwei Systeme unseres Gehirns beteiligt. Das intuitiv-emotionale, sog. limbische System – das ist der ältere Teil unseres Gehirns. Und das rational-bewertende System, der präfrontale Kortex – entwicklungsgeschichtlich der jüngere Teil im Bereich der Stirn. Er bringt die Gefühle unter Kontrolle, reflektiert und analysiert.
In einer Entscheidungssituation konkurrieren diese beiden Systeme. Und bei einer JA-NEIN-Entscheidung funkt zunächst mal das ältere System: Sag ja, Du willst niemanden verärgert. Sag ja, Du willst weiter dazugehören. Sag ja, sonst wirst Du womöglich aus der Gruppe ausgeschlossen! Letzteres käme – zu Zeiten der Höhlenmenschen – einem Todesurteil gleich.
Wann also gelingt ein souveränes NEIN? Es gelingt zum einen besser, wenn wir ausgeruht sind und der präfrontale Kortex noch nicht durch zu viel Bewerten, Analysieren und Reflektieren erschöpft ist. Nicht umsonst dauern Tarifverhandlungen oft bis spät in die Nacht, so dass die Verweigerungshaltung bröckelt und für alle Seiten ein JEIN herauskommt.
Zum anderen braucht ein NEIN manchmal auch Zeit. Bedenkzeit. Warum sollten Sie sich die nicht nehmen? Lassen Sie Ihre zwei Systeme im Kopf den Kampf erst ausfechten, bevor Sie entscheiden.
Und schließlich gelingt ein NEIN besser, wenn wir die Folgen nicht überschätzen. Steht und fällt das Schulfest damit, ob auch noch ich einen Kuchen backe? Wohl kaum. Wird mir der Kollege grollen, wenn ich ihn nicht auf dem Info-Abend vertrete? Höchstens kurzfristig. Und sicher findet sich noch jemand anders, der die Katzen füttert. Dem Esel mögen wir ja auch – trotz seines NEINs.
Im Medienkontakt ist ein souveränes NEIN sogar unerlässlich! Die NEIN-Momente in Interviews sind die spannendsten. Ein guter Journalist wird alles tun, um Ihnen genau das zu entlocken. Seine Fragen sind oft so formuliert, dass sie ein NEIN provozieren. Ein guter Journalist wird Sie ärgern und herausfordern – sich jedenfalls nicht auf Ihre Seite schlagen. Und genau dann braucht es kraftvolle NEINs, mitunter auch verpackt in „das sehe ich ganz anders!“. Dieses Ringen um Positionen und Ansichten ist das Salz in der Suppe für die Leser, Hörer und Zuschauer.
Während wir also im Alltag unser NEIN oft netter verpacken, braucht es im Medienkontakt die absolute Klarheit.
NEIN ist die Chance, sich eindeutig zu positionieren.
NEIN ist der Weg in eine kraftvolle Antwort.
NEIN ist Ohrenöffner für jedes Publikum.
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